ARBEITSKREIS MENSCHENRECHTE (AKM)
◆ Working Group for Human Rights ◆

IRAN: Enteignung von Grundstücken und Massenvertreibung von Bahá'í 

Quelle: Bahá’í-Gemeinde in Deutschland K.d.ö.R., www.bahai.de 


Zwei iranische Gerichte verkündeten in den vergangenen Monaten Urteile, die das Eigentum von 27 Bahá'í-Familien im Dorf Ivel für unrechtmäßig erklären. Darauf wies die Bahá’í-Gemeinde in Deutschland in einer Mitteilung vom 28. Januar 2021 hin.

In den jüngsten Urteilen wurde entschieden, dass alle Grundstücke der Bahá'í im Dorf Ivel – von denen sich einige seit Mitte des 19. Jahrhunderts in ihrem Eigentum befinden – enteignet werden, mit der Begründung, dass die Bahá'í „eine irregeleitete Ideologie" haben und daher keine „Legitimität in ihrem Eigentum" an irgendeinem Grundstück haben.

Das Dorf Ivel in Mazandaran ist seit Jahrhunderten die Heimat einer bäuerlichen Gemeinschaft und seit über 170 Jahren die Heimat der Bahá'í.

Ende 2020 verkündeten zwei iranische Gerichte Urteile, die das Eigentum an Grundstücken von 27 Bahá'í-Familien im Dorf Ivel für unrechtmäßig erklärten. Aus den Urteilen geht hervor, dass die Enteignung ihrer Grundstücke auf ihre Religionszugehörigkeit zurückzuführen ist. Diese Urteile folgten auf eine jahrzehntelange Verfolgung der Bahá'í in Ivel, hart arbeitenden und einkommensschwachen Landarbeitern, die außer ihren Häusern und ihrem landwirtschaftlichen Land keine weiteren Vermögenswerte und Möglichkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Die Grundstücksenteignungen finden im Kontext der zuletzt eskalierenden Hausdurchsuchungen in Wohnungen und Betrieben der Bahá'í im Iran statt. Am 22. November 2020 durchsuchten mehr als hundert Regierungsbeamte die Geschäfte und Häuser von Dutzenden Bahá'í in sieben Städten und forderten sie auf, ihre Eigentumsurkunden auszuhändigen.

Trotz der konstruktiven Rolle, die die Bahá'í in ihrer Dorfgemeinschaft gespielt haben, erlebten sie eine Reihe von Verfolgungen, die größtenteils durch Massenvertreibung und Umsiedlung sowie durch Abriss, Planierung und Beschlagnahmung ihrer Grundstücke gekennzeichnet waren, so z.B. 1941, 1983 und 2007. 

Im Jahr 2010 wurden die Häuser von etwa 50 Bahá'í-Familien abgerissen und niedergebrannt. Berichten zufolge wurden 90 Prozent der Häuser, die sich im Besitz der Bahá'í befanden, abgerissen. Die Absicht dieser Maßnahme war es, dass die Bahá'í nie wieder nach Ivel zurückkehren sollten.

Die Bahá'í legen seit mehr als drei Jahrzehnten vergeblich Rechtsmittel ein. Stets leugneten die lokalen Regierungsvertreter, Kenntnis von den Abrissen oder den zugrundeliegenden Motiven zu haben. 

Durch einen Beschluss vom 4. November 2019 entschied das Sondergericht für Artikel 49 der Verfassung, Zweigstelle Mazandaran, dass der Besitz des Landes, das den Bahá'í von Ivel gehört, unrechtmäßig sei. Die Begründung stützt sich auf den Verschwörungsmythos, dass sich die „irregeleitete Sekte" der Bahá'í, einst unterstützt durch den vermeintlich ihrer Religionsgemeinschaft zugehörigen ehemaligen Premierminister Hoveyda „in der Absicht, ihren perversen Glauben und ihre Ideologie zu verbreiten, in der Region niedergelassen hat, während sie fruchtbares Land in der Region besetzte, die Ländereien auf ihren Namen registrierte (...)". Die feindliche Gesinnung des Gerichts, die sogar in Antizionismus überschlägt, wird fortgeführt, indem die Rückkehr der Bahá'í in das Gebiet nach ihrer postrevolutionären Vertreibung in Verbindung gebracht wird, „mit der Absicht, ihre perverse Ideologie im Dorf und in der Gegend zu verbreiten, durch ihren Einfluss am Hof [des Schahs] und mit der Unterstützung des besetzenden zionistischen Regimes, um Ländereien zu besetzen, die historisch den Muslimen gehörten, und die finanziellen Einnahmen aus den Ländereien zur Verbreitung der perversen Ideologie zu verwenden." Daraus folgt dann die gerichtliche Bewertung: „Es gibt keine Rechtmäßigkeit in ihrem Besitz, und es obliegt den überzeugten Gläubigen, der Täuschung und Korruption dieser perversen Sekte entgegenzutreten und die Ablenkung und Anziehung anderer zu ihnen zu verhindern, und jeder Kontakt mit ihnen wurde als ḥarám erklärt." 

Am 1. August 2020 bestätigte die Zweigstelle 54 des zweitinstanzlichen Sondergerichts für Artikel 49 der Verfassung in Teheran diese Entscheidung, in dem es die Berufung der Bahá'í abwies.

Die Zweigstelle 8 des Berufungsgerichts von Mazandaran hielt am 13. Oktober 2020 trotz wiederholter Besuche bei den zuständigen Behörden und ohne dass die Anwälte Gelegenheit hatten, die Akten einzusehen, um eine Verteidigungsschrift vorzubereiten und Dokumente und Auskünfte einzureichen, eine außerordentliche Sitzung ab und entschied gegen die Legitimität des Eigentums an 27 Häusern und Grundstücken der Bahá'í in Ivel. Der Beschluss billigte auch die Entscheidung zugunsten der Sitád-i-Ijrá'íy-i-Farmán-i-Imám („Die Ausführung des Befehls des Imam Khomeini“, bekannt als EIKO) in Sari, das den Bahá'í gehörende Ackerland und den Grundbesitz der Bahá'í zu verkaufen. Im Anschluss an diese Anordnung schloss das Gericht den von den Bahá'í angestrengten Fall bzgl. der Zerstörung von Gebäuden im Besitz der Bahá'í in Ivel auf der Grundlage der Entscheidung des Sondergerichts für Artikel 49 und der Billigung des genannten Urteils ab. 

Die beiden Richter, die diese Urteile verkündeten, sind: im August Hassan Babai, und im Oktober Mohammad Sadegh Savadkouhi.

Am 27. Januar 2021 bekräftigte der Religionsfreiheitsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Grübel, den fortwährenden Einsatz der Bundesregierung für die im Iran systematisch verfolgten Bahá’í: „Wir sollten auf jeden Fall das Thema der Menschenrechtsverletzungen im Iran immer wieder ansprechen und auf die Rechte der Minderheiten, wie beispielsweise der Bahá'í, die ganz besonders im Iran leiden, aber auch der Christen, hinweisen.“

>>> Bitte unterstützen Sie dieses Anliegen,  indem Sie das nachfolgende Schreiben kurzfristig an die genannten Stellen schicken.


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Seine Exzellenz
Präsident Hassan Rohani
c/o Botschaft der Islamischen Republik Iran
Podbielskiallee 65-67
D-14195 Berlin

Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de  


Exzellenz,

ich wende mich mit diesem Schreiben an Sie, um meiner großen Besorgnis über die anhaltende Diskriminierung von Angehörigen der Bahá’í-Religion. 
So verkündeten zwei Gerichte in den vergangenen Monaten Urteile, die das Eigentum von 27 Bahá'í-Familien im Dorf Ivel für unrechtmäßig erklären.


In den jüngsten Urteilen wurde entschieden, dass alle Grundstücke der Bahá'í im Dorf Ivel – von denen sich einige seit Mitte des 19. Jahrhunderts in ihrem Eigentum befinden – enteignet werden, mit der Begründung, dass die Bahá'í „eine irregeleitete Ideologie" haben und daher keine „Legitimität in ihrem Eigentum" an irgendeinem Grundstück haben.

Das Dorf Ivel in Mazandaran ist seit Jahrhunderten die Heimat einer bäuerlichen Gemeinschaft und seit über 170 Jahren die Heimat der Bahá’í.

Mit diesen aus religiösen Vorurteilen begründeten Enteignungen verstoßen die Behörden gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Gemäß Artikel 17 hat jeder das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit Anderen Eigentum innezuhaben. Ferner darf demnach niemand willkürlich seines Eigentums beraubt werden. Eine willkürliche Enteignung liegt insbesondere dann vor, wenn sie in diskriminierender Weise, also etwa aufgrund der Religionszugehörigkeit der Eigentümer erfolgt.

Ich appelliere daher an Sie, sich für die Einhaltung der international festgeschriebenen Menschenrechte einzusetzen, so auch für ein Ende der Verfolgung und Diskriminierung der Angehörigen der Bahá’í-Religion. Bitte sorgen Sie dafür, dass die Betroffenen entschädigt werden und ihren Besitz zurück erhalten.

Freundliche Grüße




KOPIEN:

>>> Auswärtiges Amt, Berlin, Fax: 03018-17-3402, E-Mail: buergerservice@diplo.de  

>>> Deutscher Bundestag, Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Vorsitzende: Frau Gyde Jensen, Fax: 030-227-36051, E-Mail: gyde.jensen@bundestag.de