ARBEITSKREIS MENSCHENRECHTE (AKM)
◆ Working Group for Human Rights ◆

IRAN: Neue Verfolgungswelle gegen Angehörige der Bahá’í-Religion

Quelle: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), www.igfm.de 

Eigentlich sollte die 37-jährige Kunst- und Literaturdozentin Negin Ghadamian wegen der Coronavirus-Pandemie im April 2020 freigelassen werden, da sie bereits zwei Drittel ihrer Haftstrafe verbüßt hat. Die iranischen Machthaber verhinderten aber nicht nur ihre Freilassung, sondern auch einen Hafturlaub aus medizinischen Gründen, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). In den vergangenen Wochen verurteilten Revolutionsgerichte der Islamischen Republik weitere Bahá’í zu langjährigen Gefängnisstrafen, so die IGFM. 

Seit der Revolution im Jahr 1979 sind religiöse und ethnische Minderheiten wie die Baha‘i im Iran harter religiös motivierter Verfolgung ausgesetzt. So sitzt Negin Ghadamian allein wegen der „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation des Bahá’í-Kultes“ seit Dezember 2017 eine fünfjährige Haftstrafe im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran ab. Am 10. Mai 2020 wurden zudem sieben Bahá’í-Anhänger zu insgesamt 33 Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Bahá’í, Soheila Haghighat und Shahnaz Sabet, wurden am 17. Mai 2020 aufgrund von „Propaganda gegen das Regime und Mitgliedschaft in regimekritischen Gruppen“ zu jeweils sechs Jahren Gefängnis verurteilt.


Wegen Lehrtätigkeit verhaftet

Die Baha‘i Negin Ghadamian hat einen Master-Abschluss in persischer Kultur und Literatur vom iranischen Bahá’í-Institut für Hochschulbildung (BIHE) und lehrte dort als Dozentin. Nach einer Welle von Verhaftungen von Bahá’í-Gelehrten im ganzen Land wurde Negin Ghadamian am 24. Mai 2011 festgenommen. Die Richterin verlangte, dass sie schriftlich bestätigen sollte, dass sie nicht mehr mit dem Bahá’í-Institut zusammenarbeitet und Bahá’í-Studenten nicht mehr unterrichtet. Negin Ghadamian weigerte sich, das Dokument zu unterschreiben und kam gegen Kaution frei. In Abwesenheit wurde sie im Februar 2013 wegen „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation des Bahá’í-Kultes, Verstoßes gegen die nationale Sicherheit und illegale Aktivitäten im Bahá’í-Bildungsinstitut” zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Als Negin Ghadamian am 16. Dezember 2017 zusammen mit ihrem Mann in ein europäisches Land reisen wollte, wurde sie am Flughafen Täbris im Westen des Iran festgenommen und in das Evin-Gefängnis nach Teheran gebracht. Dort muss sie seitdem ihre fünfjährige Haftstrafe absitzen.


Willkürliche Verurteilungen in Pandemie-Zeiten

Am 10. Mai 2020 wurden 
> Shahriar Atrian, 
> Navid Bazmandegan, 
> Bahareh Qaderi (Ghaderi), 
> Noura Pourmoradian und 
> Soudabeh Haqiqat (Haghighat) 

vom Revolutionsgericht in Schiras zu jeweils sechs Jahren, 

> Niloufar Hakimi 

zu acht Jahren und 

> Ehsanollah Mahboub-Rahvafa 

zu einem Jahr Haft verurteilt. 

Angeklagt waren sie wegen „Propaganda gegen das Regime und Mitgliedschaft in regierungskritischen Gruppen”. Niloufar Hakimi wurde kürzlich erst zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. 

Außerdem erwartet 

> Elaheh Samizadeh und 
> Soudabeh Haqiqat 

noch eine Verhandlung wegen weiterer  Anklagepunkte. Die sieben Bahai-Anhänger wurden im September 2018 verhaftet und waren bis zur Verhandlung auf Kaution entlassen worden. Solch willkürliche Inhaftierungen in Zeiten einer globalen Pandemie in Gefängnissen, in denen große Hygienemängel und eine schlechte medizinische Versorgung herrschen, sieht die IGFM als schwere Menschenrechtsverletzung an und sorgt sich um die Verurteilten.

„Negin Ghadamian litt im November 2018 an einer Infektion im Kiefer- und Zahnbereich, die nicht von Spezialisten behandelt wurde. Allein deshalb wäre ein medizinischer Hafturlaub mehr als gerechtfertigt. Außerdem sind die politischen Gefangenen im Iran aktuell in großer Gefahr, sich mit dem Coronavirus anzustecken. Daher fordert die IGFM die sofortige Freilassung von Negin Ghadamian, Soheila Haghighat, Shahnaz Sabet, der sieben Bahá’í-Anhänger sowie aller aus politischen Gründen Inhaftierten“, so Lessenthin.


Die am stärksten unterdrückte religiöse Minderheit

Die Bahá’í sind mit mehr als 300.000 Mitgliedern die größte religiöse Minderheit im Iran, die in ihrer Heimat schweren Repressionen ausgesetzt ist. Die schwerwiegendste Einschränkung ist, dass sich die Bahá’í laut einer Resolution des Obersten Rates der Kulturrevolution vom 25. Februar 1991 nicht an den Universitäten einschreiben dürfen. Wenn sich herausstellt, dass ein Student Anhänger der Bahá’í ist, wird er exmatrikuliert. So wurden alle Bahá’í-Professoren und -Studenten von iranischen Universitäten ausgeschlossen. Das Bildungsverbot der Bahá’í veranlasste die Bahai-Gemeinschaft im Iran, in Zusammenarbeit mit Professoren und Lehrern Bahá’í-Klassen einzurichten, um diese Diskriminierung zu bekämpfen. Dadurch bildete sich ein „Hochschulinstitut im Untergrund”. Seitdem werden die Bahá’í ständig von Sicherheitskräften angegriffen. So wurden 2012 Professoren und Beamte des Instituts verhaftet sowie deren Eigentum beschlagnahmt. Mit dem Entzug der Bildung versucht die iranische Regierung, diese Gemeinschaft zu unterdrücken. „Bildung ist ein Menschenrecht. Bahá’í-Mitglieder dürfen ihre Religion im Iran nicht praktizieren, keine eigenen Schulen betreiben und ihnen wird eine höhere Bildung verweigert – wer sich dem widersetzt, der wird willkürlich verhaftet“, so die IGFM. Im September 2016 beschrieb UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Bahá’í in seinem Bericht über die Menschenrechtssituation im Iran als „die am stärksten unterdrückte religiöse Minderheit”. - In Deutschland sind die Bahá’í als Körperschaft des öffentlichen Rechts (KdöR) anerkannt (www.bahai.de).

>>> Bitte helfen Sie mit, die Freilassung der Inhaftierten sowie Religionsfreiheit für die Angehörigen der Bahá’í-Religion zu erreichen, indem Sie das nachfolgende Schreiben kurzfristig an die genannten Stellen schicken.

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Seine Exzellenz
Präsident Hassan Rohani
c/o Botschaft der Islamischen Republik Iran
Podbielskiallee 65-67
D-14195 Berlin

Fax: 030-8435 3535
E-Mail: info@iranbotschaft.de  



Exzellenz, 

die Nachrichten, die in den letzten Wochen aus Ihrem Land kommen, machen mich besorgt. So wird davon berichtet, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Bahá’í inhaftiert und verurteilt wurden, allein wegen ihrer Glaubenszugehörigkeit. Dazu gehören auch Mitarbeiter des „Bahá’í-Instituts für Hochschulbildung“ (BIHE), das nur deshalb gegründet wurde, weil es Bahá’í verboten ist, an staatlichen Universitäten zu studieren.

Konkret wurde über die Verhaftung bzw. Verurteilung der folgenden Bahá’í berichtet:

> Negin Ghadamian
> Shahriar Atrian, 
> Navid Bazmandegan, 
> Bahareh Qaderi (Ghaderi), 
> Noura Pourmoradian und 
> Soudabeh Haqiqat (Haghighat) 
> Niloufar Hakimi
> Ehsanollah Mahboub-Rahvafa

Darüber hinaus drohen Gerichtsverhandlungen

> Elaheh Samizadeh und 
> Soudabeh Haqiqat 

Die Inhaftierung, Verurteilung oder auch Anklage dieser Personen verstößt gegen internationale Menschenrechtsvereinbarungen, da diese Personen weder Gewalt angewandt haben noch zu Gewaltanwendung aufgerufen haben; die Verfolgung geschieht allein aus religiösen Gründen.

Als Mitglied der Vereinten Nationen hat sich Ihr Land dazu verpflichtet, die Religionsfreiheit zu achten. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, sich dafür einzusetzen, dass die Repressionen gegen diese Personen sofort beendet werden und den Angehörigen der Bahá’í-Religion Religionsfreiheit gewährt wird.

Freundliche Grüße



KOPIEN:

>>> Auswärtiges Amt, Berlin, Fax: 03018-17-3402, E-Mail: buergerservice@diplo.de   
  
>>> Deutscher Bundestag, Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Vorsitzende: Frau Gyde Jensen, Fax: 030-227-36051, E-Mail: gyde.jensen@bundestag.de